Charakter und Motivation
Manuela Schenkel entwickelt Idee im Geiste ihrer Großmutter Hedwig Schenkel.
Portrait Manuela Schenkel
Manuela Schenkel wirkt ruhig. Aber sie überrascht mit ihrer Sehnsucht nach Abenteuern. So erlebte sie einst ein Auslandssemester auf der Karibikinsel Martinique. Zudem hofft sie, »etwas Besonderes in die Welt zu bringen«. Manuela möchte Einzigartigkeit, Harmonie und Unabhängigkeit weitergeben. Deshalb entwickelt sie ein Wohnprojekt für Über-60-Jährige: das Hedwig-Schenkel-Haus.
Privat motiviert kein Geld die Führungskraft der UK Dies Group, eines britischen Zulieferers für Autohersteller. Die Gründerin von Hedwig Schenkel Limited schätzt Effektivität im Job und im Wohnprojekt. Ohnehin versteht sie Bilanzen seit dem früheren Diplomstudium der Wirtschaftswissenschaften und Sprachen. Die Lust an Veränderungen führte sie 1994 nach England. Dort leitete sie mit dem damaligen Ehemann über 20 Jahre ein Familienunternehmen. Kurz nach dem Umzug ins Vereinigte Königreich hatte Manuela erst ein Jahr in einem Seniorenheim gearbeitet und Demente betreut.
Die 1971 geborene Pfälzerin wuchs mit mehreren Generationen unter einem Dach auf. Schon damals habe sie die versammelte Lebenserfahrung geschätzt, erzählt sie. Starken Eindruck hat Hedwig Schenkel hinterlassen: Die Mutter ihres Vaters hat der Enkelin die Liebe zur Natur und zu Büchern vererbt. »Meine Großmutter hat mich auf den Pfad meiner spirituellen Entwicklung geleitet und mir den Wert von wahrer Toleranz vermittelt«, ergänzt Manuela.
In einem Sabbatjahr für eine Wohltätigkeitsorganisation begleitete sie ältere Menschen mit Körperübungen zur Musik und trainierte die Fähigkeiten zur geistigen Wahrnehmung. Manuela hält ihr seelisches Gleichgewicht mithilfe von Yoga. Qualifiziert nach der international bekannten 200-Stunden-Ausbildung schult sie diese meditativen und körperlichen Techniken. Nicht zuletzt besucht die freiwillige Helferin der Marie-Curie-Stiftung Sterbende zu Hause oder im Hospiz. Somit ist Manuela nicht nur auf die wirtschaftlichen Ansprüche und den Spaß bei ihrem Projekt vorbereitet. In Kursen hat sie zum Beispiel den Umgang mit Rollstühlen und spezielle Massagen der Palliativpflege erlernt.
Mehr über Manuela – in ihrem Profil auf LinkedIn
Neuigkeiten im Hedwig-Schenkel-Haus
Portrait Hedwig Schenkel (1910–2000)
Im Hedwig-Schenkel-Haus sollen Prinzipien der Namensgeberin gelten. »Meine Großmutter verkörpert Lebensfreude, Leidenschaft und geistige Weiterentwicklung«, sagt Manuela Schenkel. Die Enkelin will ebenso die innere Leere bekämpfen: »Ich bewundere Hedwig Schenkel für ihre Siege über die Einsamkeit. Wenn sie über ein Hindernis stolperte, stand sie immer wieder auf.«
Nach der Hochzeit 1935 übersiedelte die Tochter eines Försters vom Pfälzer Wald nach Oggersheim in Ludwigshafen am Rhein. »Sie wanderte gerne durch die Natur«, bestätigt Sohn Wolfgang, »aber mein Vater zeigte daran kein Interesse.« Im Alter sah Karl zu, wie seine Frau unter den geliebten Bäumen malte. Jahrelang arbeitete Hedwig als Volksschullehrerin. Der Bibliothekar an ihrer Seite brachte ihren vier Kindern Altgriechisch bei und förderte die akademische Ausbildung. Ansonsten erzog die Mutter die Tochter und die drei Söhne – »sie erledigte die praktischen Aufgaben«, erklärt Manuela: »Meine Großmutter heizte frühmorgens die Holzöfen an, schmiss den Haushalt und machte sogar den Führerschein«.
»Wie ihr Stubenhocker« habe die Ehefrau Bücher verschlungen, lächelt die Enkelin: »Und bei uns wurde gebastelt, gemalt, musiziert oder Kaspertheater gespielt«. Hedwig kaufte etwa ein Glockenspiel – um ihre Kinder, aber auch die Schüler anzuregen: Als Wolfgang erwachsen war, schob sie mal eine Standuhr durch das Schiebedach seines VW Käfers. Nach einem gewagten Transport in die Schule erklärte sie den Mädchen und Jungen anschaulich die Uhrzeit.
1987 starb Karl. Nach der Trauer fand die Witwe mehr Zeit für Besuche und Neigungen. Sogar nach einem Hörsturz zu Beginn der 80er Jahre hat sie oft Klavier gespielt. Als das Gehör nach einem Schlaganfall weiter schwand, ersetzten Notizen notdürftig die Gespräche. Nach dem zweiten Schlaganfall lernte Hedwig, mit der linken Hand zu malen. Kunst, Philosophie, Religion und Weltgeschehen weckten nach wie vor ihre Aufmerksamkeit. Als sie mit fast 90 Lebensjahren entschlief, blieb sie Manuelas Vorbild: »Ihre Augen strahlten bis zum Schluss.«
Idee
Das Projekt startete 2017 mit einer Ideensammlung auf sogenannten Metaplan-Karten. Manuela Schenkel nannte ihre bunte Übersicht »Visionboard«. Es diente dazu, Schlagworte für Einfälle zu finden und Gedankenspiele festzuhalten.
Freiheitsdrang, Gemeinsinn und Spiritualität weisen den Weg. Freude, Gesundheit und Respekt prägen das Leben im Hedwig-Schenkel-Haus. Ästhetische Ansprüche zielen auf Ausgeglichenheit, Form und Harmonie. Die Bewohnerinnen und Bewohner streben nach Einzigartigkeit und Unabhängigkeit. Isolation und Materialismus verschwinden. In Italien entsteht kein rosarotes Rentnerparadies. Ebenso wartet dort niemand auf irgendeine Erlösung oder unterdrückt selbst den kleinsten Konflikt. Aber aufgeschlossene Menschen erhalten die Chance, Werten und Wünschen in einer Gemeinschaft zu folgen.